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Aus einer anderen Zeit: Erto e Casso in Friaul

Ein bißchen plagt mich nun schon das Fernweh, so würde in den nächsten Wochen nun wieder die jährliche Reise nach Friaul anstehen. Seit einigen Jahren verbringe ich mit meiner Familie im Mai oder Anfang Juni ein paar Tage im Friaul oder Veneto. Besuche von alten historischen Orten wechseln sich mit Strandbesuchen (meist Grado) und kulinarischen Ausflügen in landschaftlich reizvollen Gegenden dieses Teils von Oberitalien ab. Aus heutiger Sicht wird unsere Reise nun im Frühjahr nicht möglich sein, aber hoffentlich im Spätsommer stattfinden können.

Vor ein paar Wochen durfte ich für meinen Blog Elena Proksch interviewen, die für meinen Beitrag Friaul für Einsteiger” wertvolle Tipps für Besuche in Friaul hier gelassen hat. Anregungen für Besichtigungen im Rahmen unserer Urlaube in Friaul erhalten wir auch immer wieder direkt vor Ort. So stießen wir auf Empfehlung unseres Unterkunftgebers Alessandro vom Agritourismo La Collina delle Mignole, wo wir immer wieder gerne ein paar Tage verbringen, vor zwei Jahren auf “Erto e Casso”, eine Gemeinde im "Parco naturale delle Dolomiti Friulane", die aus zwei Dörfern besteht, die ich heute im Rahmen dieses Beitrages gerne vorstellen möchte:

Bei Erto e Casso handelt es sich um eine historisch interessante Gemeinde, die aus 2 Dörfern besteht, die dem Ort den Namen geben. In einer Information der nationalen Tourismusbehörde habe ich herausgelesen, dass es  auch eine Besonderheit ist, dass in beiden Dörfern unterschiedliche Dialekte gesprochen werden. Informationen über diese Orte findet man nur in wenigen Reiseführern, was diese für einen “Slow-Traveller”, zu dem ich mich zähle, natürlich noch interessanter macht. Beide Dörfer stehen unter nationalem Denkmalschutz. Ein Spaziergang durch diese Gemeinde lassen einen rasch in eine andere Zeit versetzen. Die hohen Gebäude aus Stein  stehen eng beieinander und sind sehr schlicht. Sie stehen für eine einfache, traditionelle und auch außergewöhnliche Architektur in alter Zeit, zeigt sie doch eine besondere Handwerkskunst in Bezug auf die damalige Errichtung der Häuser.  Die Wege zwischen den Häusermauern sind steil und bestehen überwiegend aus Kopfsteinpflaster. Bei unserem Besuch 2019 bemerkten wir behutsame Renovierungsarbeiten mit dem scheinbaren Ziel wieder mehr Leben in die stillen Dörfer zu bekommen. 

Ganz in der Nähe bei der Vajont - Staumauer hat sich 1963 eine unheimliche Tragödie abgespielt: 

Um 22:39 Uhr des 9. Oktober 1963 kam es zu einem katastrophalen Bergsturz, wobei auf 2 Kilometer Länge 270 Millionen Kubikmeter Gestein (knapp das Doppelte des Stauvolumens) vom Monte Toc in Richtung See rutschten und dessen Becken großteils füllten. Die plötzliche Verdrängung des angestauten Wassers verursachte eine riesige Flutwelle, die die auf dem gegenüberliegenden Hang liegenden Dörfer Erto und Casso um wenige Meter verfehlte, bevor sie talaufwärts floss und dort einige kleine Ortschaften zerstörte. Etwa 25 Millionen Kubikmeter Wasser (etwa ein Sechstel des Stauvolumens) überströmten die Mauer und erreichten das am Ende des engen Tals abwärts gelegene Städtchen Longarone: Dieses und einige umliegende Ortschaften wurden vollständig zerstört. Etwa 2.000 Menschen starben unmittelbar (offizielle Quellen sprechen von 1917 Opfern, andere von mehr; die Anzahl wurde nie genau ermittelt). Nur wenige Menschen – überwiegend Kinder – wurden lebend geborgen. Die Mauer selbst blieb weitgehend unbeschädigt (Wikipedia 4/2021)

 

 

Vom Dorf Casso aus hat man einen guten Überblick über dieses Gebiet und man kann sich ein Bild vom Ausmaß der Katastrophe machen. Die Überreste des Monte Toc sind von dort aus zu sehen. Der Staudamm, der meinem Wissen nach ob seiner Höhe immer noch zu den höchsten Bogenstaudämmen der Welt zählt,  kann im Zuge einer Führung besichtigt werden. 

Die Landschaft hat sich durch das Unglück verändert. Dort, wo ein eingeschnittenes Tal lag, erhebt sich nun ein Berg. Ein wenig lässt sich heute noch die tiefgreifende Veränderung, die damals passiert ist, beim Blick in die Landschaft erahnen. Die Vegetation hat in den letzten Jahrzehnten aber ihren Beitrag geleistet und die Hänge wieder begrünt und belebt. Und das empfindet man auch beim Spazieren durch die beiden Dörfer. Die hohen Mauern der Steinhäuser, zwischen denen man in den engen Gassen geht, haben viel in der Vergangenheit erlebt. Möge in der heutigen Zeit, das Aussehen, die Tradition der Dörfer bewahrt werden und die sukzessiven Renovierungsarbeiten das entsprechend unterstützen. 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Volker Krause (Freitag, 23 April 2021 09:33)

    Wieder einmal hast Du ein wunderschönes Stück Italien präsentiert mit eindrucksvollen Bilder und informativem Text.
    Das Fernweh macht sich in mir wieder bemerkbar. Dein Bericht ist dafür angetan, diesen herrlichen Flecken zu besuchen zu wollen.
    Viele Grüße Volker